Sie sind überall. Auch hier bei Platinnetz: 201 Platinerinnen haben „Hexe“ im Spitznamen und sogar acht „Hexenmeister“ finden sich hier. Warum identifizieren sich Menschen von heute so gern mit Hexen? Worin liegt der Reiz der Hexe?
Jahrhunderte lang sind Hexen geächtet, verfolgt und verbrannt worden. Man sah in ihnen Teufelsanbeterinnen, die ihre Nachbarn verhexten und die für Unwetter, Rattenplagen und schlechte Ernte sorgten. Das Bild der Hexe hätte schlechter nicht sein können und wer in der Frühen Neuzeit als Hexe verschrien war, hatte meistens nicht mehr lange zu leben. Heute ist das völlig anders.
Die leidvolle Seite der Hexe
Viele moderne Frauen bezeichnen sich selbst als Hexe. Einige praktizieren ernsthaft Rituale, andere fühlen sich mit der Natur und ihren ursprünglichen Kräften verbunden oder hegen und pflegen einen üppigen Kräutergarten, den sie nutzen, um zu kochen oder Medizin aus ihren Kräutern herzustellen. Heutige Hexen sind in der überwiegenden Mehrheit friedliebende, naturverbundene Menschen, die einen Sinn für Esoterik haben und uralten Wegen folgen möchten.
Ganz anders in der Frühen Neuzeit (ca. 1500-1800), der Hochzeit der Hexenverfolgung in Europa. Rund 60.000 Menschen verloren ihr Leben auf den Scheiterhaufen der Städte. Angeklagt wurden sie von ihren Familien, ihren Nachbarn, ihren angeblichen Freunden. Man warf ihnen vor, mit dem Teufel im Bunde zu sein und das Reich Gottes und die gesamte Christenheit ausrotten zu wollen. Man machte die angeblichen Hexen verantwortlich für jedes Unglück, jede kranke Kuh, jeden Hagel, der das Korn auf den Feldern zerstörte und für das gebrochene Bein des Stallknechts. Durch den bösen Blick brachten angebliche Hexen Tod und Krankheit. Sie verwandelten sich nachts in Hasen, Katzen oder Krähen und stahlen der Nachbarin die Milch aus der Kuh oder die Butter aus dem Fass. Warum sonst sollte die Kuh der Nachbarin plötzlich viel mehr Milch geben als sonst und die eigene gar keine mehr?
Wer sozial ausgegrenzt war und niemanden hatte, der für ihn sprach, hatte es noch schwerer. Ins Gerede zu kommen war leicht – und wer einmal im Gerücht stand, Hexe und Teufelsanbeterin zu sein, kam so gut wie nie wieder heraus. Wurde Anklage erhoben, wurden die Beschuldigten so lange und so hart gefoltert, bis sie alles sagten, was die Richter ihnen in den Mund legten: Ob es nicht richtig sei, dass sie der Tochter der Annegret vor zwei Monaten einen Apfel geschenkt habe? Ob es weiterhin nicht richtig sei, dass die Tochter der Annegret eine Woche später ganz krank geworden sei? Aha! Und ob sie nicht letzten Sonntag vor dem großen Hagel auf den Feldern, statt in der Kirche gewesen sei? Was sie da gemacht habe? Vielleicht den Hagel auf das Feld gerufen? Und ob es nicht richtig sei, dass sie am Sonntag des nachts auf ihrem Besen zum Tanz auf der Heide geflogen sei? Ihre Mithexe, die Katharina, habe gestern unter der Folter aber ihren Namen genannt! Es hat also keinen Sinn es abzustreiten. Sage sie lieber, wer noch anwesend war! Wenn sie sich einsichtig und reuig zeigt, wird man sie vielleicht mit dem Schwert richten, bevor man ihren Leib verbrennt, um ihre Seele zu reinigen. So nahm das Schicksal der angeblichen Hexe seinen Lauf. Man sollte sie, wie es in den überlieferten Urteilen heißt, mit dem Feuer vom Leben zum Tod bringen.
Die Hexe von heute
Viele falsche Vorstellungen von der Hexenverfolgung halten sich hartnäckig. Es heißt, es seien meistens rothaarige, schöne Frauen, Hebammen und Heilerinnen sowie alte Weiblein gewesen, die verbrannt wurden. Häufig liest man auch, die Männer hätten versucht, das medizinische Wissen der Frauen auszurotten. Für all diese Vorstellungen gibt es keine Belege. Es waren Menschen aus allen sozialen Schichten, die der Hexenpanik der Frühen Neuzeit zum Opfer fielen. Auch Männer und Kinder waren darunter. Zwar ist die Hexenverfolgung wissenschaftlich sehr gut erforscht, doch sucht man bis heute vergeblich nach einer zufrieden stellenden Erklärung für das Phänomen.
Heute muss man nicht mehr damit rechnen, ausgegrenzt und verfolgt zu werden, wenn man sich als Hexe bezeichnet. Im schlechtesten Fall wird man als Anhängerin der Esoterik belächelt. Geblieben ist das – aus falschen Vorstellungen entstandene – Bild einer starken Frau, die sich niemandem unterwirft und nur nach ihren eigenen Regeln lebt. Einer Frau, die Zugang zu geheimem Wissen hat und sich die Kräfte des Universums zunutze machen kann. Vielleicht ist der Wunsch, das Schicksal ein wenig beeinflussen und lenken zu können, ein Auslöser für die Faszination Hexe. Vielleicht möchte man sich auch einfach als starke, unabhängige, freche Frau sehen, vor der alle Respekt haben. Oder es ist ein Weg, seine Naturverbundenheit auszudrücken. Wer die frühere angebliche Hexe als Kräuterweiblein oder weise Heilerin sieht, führt damit vielleicht eine scheinbar uralte Tradition des Wissens weiter und möchte nach alten Regeln und im Einklang mit der Natur leben. Das alles sind ehrenwerte, individuelle und spannende Motive. Mit der ursprünglichen Hexe der Frühen Neuzeit hat das aber nichts zu tun. Trotzdem, allen modernen Hexen im Netz viel Spaß beim Flug durch die virtuelle Welt!
Autorin: Elke Liermann, Platinnetz-Redaktion