In Deutschland leben etwa 11 Millionen Singles. Die meisten von ihnen wünschen sich einen Partner, finden aber trotz aller Mühen nicht den Richtigen. Immer stört etwas: Der ist zu dick, der andere zu dünn, die ist schon ganz prima, hat aber zu dicke Beine, der raucht, das geht gar nicht. Das kann nicht funktionieren.
Viele Singles auf Partnersuche haben bereits mehrere gescheiterte Beziehungen hinter sich. Man hat getrauert und analysiert. Wo lagen die Fehler? Warum ist die Beziehung gescheitert? Und schließlich kommt man zu dem Punkt, an dem man sich ganz behaglich im eigenen Leben eingerichtet hat und denkt: „Ich will keine Kompromisse mehr machen! Der nächste Partner muss perfekt zu mir passen. Ich kann warten.“
Dann kann sich die Sehnsucht nach Liebe schleichend in die Sehnsucht nach Perfektion verwandeln. Man ist nicht mehr gewillt, offen auf den anderen zu zu gehen, wenn der kleinste scheinbare Makel auftritt. Das können die Brille, der falsche Fußballverein oder der schreckliche Pullover ebenso sein, wie die Gewohnheit, sonntags früh aufzustehen, die mit dem eigenen Schlafbedürfnis nicht vereinbar scheint. Aus kleinen Dingen werden Grundsatzfragen entwickelt: „Wer solche Pullover trägt, dessen Geschmack kann nicht zu meinem passen, das brauchen wir gar nicht erst zu versuchen.“
Sehnsucht nach filmreifer Perfektion
Das Warten auf den perfekten Partner kann zur Lebensaufgabe werden, wenn man die Sehnsucht nach Perfektion niemals hinterfragt. In den letzten zehn Jahren ist die Scheidungsrate deutlich angestiegen. Gleichzeitig transportieren die Medien wie gehabt ein Bild von Liebe und Partnerschaft, das absolut unrealistisch ist. Ist man bereits längere Zeit allein, verfällt man womöglich der Illusion der Perfektion. Die Sehnsucht nach Liebe wandelt sich in die Sehnsucht nach dem perfekten Gegenstück, so wie es im Film, im Fernsehen oder in Büchern propagiert wird. Man trifft den einen, den perfekten Menschen, mit dem das ganze Leben auf einmal bunt und fröhlich ist, mit dem jede Kommunikation mühelos funktioniert, der einen auch ohne Worte versteht, der die eigene Seele und das Herz berührt und einen aus allen Problemen und Sorgen befreit. Das Zusammensein mit ihm ist immer aufregend und bei jeder Berührung sprühen die Funken. Man brennt vor Sehnsucht nacheinander, wenn man nur zwei Stunden getrennt ist. Und wunderschön und makellos perfekt ist er auch noch.
Klingt das realistisch? Wenn man selbst dann von seiner neuen Flamme eine Absage für den geplanten Kinoabend bekommt, weil der Arbeitstag besonders lang und anstrengen war, steigen erste Zweifel hoch. Kann das wirklich mein perfektes Gegenstück sein? Müsste er nicht jede Minute mit mir zusammen sein wollen, auch wenn er erschöpft ist? Müsste ich nicht seine Kraftquelle sein? Menschen in Liebesfilmen sind nie unattraktiv oder müde. Sie rennen einem startenden Flugzeug nach, um die Liebste zu erobern oder sprinten durch halb New York, um ihr ein Liebesgeständnis zu machen: „Du hast meine Welt völlig auf den Kopf gestellt, ich bin nicht im Stande, dir zu widerstehen!“ Und dann sinkt man sich in die Arme, die Kamera zoomt auf den perfekten Kuss und der Film ist zu Ende. Der Zuschauer bleibt zurück mit der Illusion einer perfekten Partnerschaft – und entwickelt eine unstillbare Sehnsucht, so etwas auch zu erleben. Und zwar für immer.
Sehnsucht nach Liebe ist realistischer
Wer etwas in der Art im wahren Leben erwartet, kann nur enttäuscht werden. Dieses Ideal ist nichts weiter als eine Utopie. Wenn die Kamera ausblendet, beginnt die Beziehung ja erst. Und in jeder Beziehung zieht früher oder später der Alltag ein. Es ist nicht nur dann Liebe, wenn es immer spannend und aufregend ist. Wenn man in jeder getrennten Stunde vor Sehnsucht vergeht. Wenn es die ganz großen Gefühle sind, die einen nicht essen und nicht schlafen lassen. In der ersten Phase der Verliebtheit mag das so sein. Aber wer von seinem Partner zu jeder Tages- und Nachtzeit filmreife Romantik erwartet, überfordert ihn. Diese Sehnsucht kann nicht gestillt werden, weil es die Art von Perfektion, wie sie im Film beschworen wird, nicht gibt.
Es ist absolut richtig, nach dem Besten zu suchen und sich nicht mit dem Spatz in der Hand zufrieden zu geben, wenn man lieber eine Taube haben möchte. Aber der andere ist ein Mensch mit allen menschlichen Ecken und Kanten – die man selbst auch hat. Schließlich sind wir alle keine Helden und Diven und ein Blick in die Boulevardpresse verrät, dass nicht einmal die in ihrer Freizeit perfekt sind. Liebe bedeutet eben auch, die Ecken und Kanten, die Macken und Fehler des anderen zu kennen und ihn so zu akzeptieren, wie er eben ist. Im Gegenzug lebt man dann in dem Luxus, von seinem Partner ebenso akzeptiert zu werden, wie man ist. Ein gemeinsam organisierter Alltag, ein harmonisches Zusammenleben sind wichtiger als der schicke Anzug oder der gleiche Musikgeschmack. Füreinander zu sorgen, kleine Liebesbeweise im Alltag und Verlässlichkeit sind wesentlich tragfähiger für eine dauerhafte Beziehung als große Gesten à la Hollywood.
Autorin: Elke Liermann, Platinnetz-Redaktion