Am 16. September 2009 verabschiedete die Regierung den Raumordnungsplan für die Meeresnutzung in der Außenwirtschaftszone der Nordsee. Damit wurde erstmals ein rechtlicher Rahmen für unterschiedliche Nutzungen auf dem Meer geschaffen. Liegt die Zukunft der Gewinnung von Energie wirklich auf hoher See?
Der neue Raumordnungsplan der deutschen Bundesregierung ist insbesondere für die Offshore-Windenergie von entscheidender Bedeutung. Ganze Windparks sollen entstehen, die aus dem Wind auf hoher See, Energie erzeugen können.
Wie viel Energie können Windparks liefern
Momentan liegt der Anteil des Windstroms am gesamten Stromverbrauch Deutschlands bei rund sieben Prozent. Der Großteil dieser Energie wird über Windanlagen auf dem Land gewonnen. Doch mit dem Startschuss für eine planbare Nutzung der Offshore-Windenergie, erwartet der Bundesverband WindEnergie, dass bis 2020 etwa 10 000 Megawatt Strom von den Installationen in Nord- und Ostsee in die deutsche Stromversorgung einfließen werden. Der Großteil (45 000 Megawatt) wird zwar trotzdem noch an Land gewonnen werden, doch wird der Anteil des Windstroms am Stormverbrauch dann auf über 25 Prozent gestiegen sein. Es wäre also in naher Zukunft möglich, ein Viertel des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland durch die erneuerbare Energie Wind abzudecken.
Rein theoretisch könnte noch mehr Energie aus dem Wind auf hoher See gewonnen werden, doch wäre das wirtschaftlich und ökologisch nicht unbedingt sinnvoll. Immerhin sind 90 Prozent der Ozeanoberflächen zu weit vom Festland entfernt, als dass sich Netzanbindung und Wartung der Anlagen rentabel bewerkstelligen ließen. Und trotzdem sind Experten der Meinung, dass in wenigen Jahrzehnten die Hälfte der globalen Stromerzeugung auf dem Meer stattfinden könnte. Dies würde dann jedoch nicht nur durch die Energie aus Wind erreicht werden, sondern mithilfe der Kombination verschiedener Methoden der Energiegewinnung und unterschiedlichen Anlagen.
Energie kann nicht nur aus Wind gewonnen werden
Deutschland steht europaweit an der Führungsposition bei der Gewinnung von Windenergie an Land. Werden die geplanten Offshore-Projekte nach dem neuen Regierungsbeschluss nun auch konsequent durchgeführt, könnte Deutschland diese Führungsposition auch auf den Offshore-Bereich ausweiten. In den nächsten zehn Jahren würde die Bundesrepublik demnach etwa ein Viertel der gesamten auf dem Meer gewonnenen Energie stellen. Doch mit der Windenergie sind die Möglichkeiten der Energiegewinnung aus dem Meer nicht ausgeschöpft.
Weitere Möglichkeiten sind Gezeiten-, Strömungs- und Wellenkraftwerke. Schließlich ist gut 70 Prozent der Erdoberfläche von Ozeanen bedeckt. Die Energiegewinnung beruht hier auf den Energien, die durch Mond und Sonne, die Strömungen, Gezeiten, unterschiedliche Temperaturen, Wellen und verschiedene Salzgehalte erzeugt werden. Es handelt sich also ausschließlich um erneuerbare Energie, die aus den Ozeanen gewonnen wird. Die Meere stellen ein ungeheuer großen Energiepotential zur Verfügung, das bisher weitestgehend ungenutzt ist.
Das weltweit erste Gezeitenkraftwerk befindet sich in der Normandie an der Mündung des französischen Flusses Rance bei St. Malo, wo es seit Ende 1967 Energie aus Ebbe und Flut gewinnen kann. Gebaut ist es wie ein Damm, der die Bucht vom offenen Meer trennt. Durch Ebbe und Flut entstehen Strömungen, die das Meerwasser durch Turbinen, die im Damm eingebaut sind, strömen lassen. Das Kraftwerk kann sowohl bei Einlaufen des Wasser als auch beim Auslaufen des Wasser Strom erzeugen. Nachteile hierbei sind, dass das Kraftwerk nicht so effizient ist wie andere Möglichkeiten der Energiegewinnung. So erzeugt es Energie in einer Leistung von 240 Megawatt, während ein Kernkraftwerk über 1000, ein Kohlekraftwerk bis zu 1600 Megawatt liefern kann. Außerdem nimmt es durch seine Lage Einfluss auf die Umwelt, nämlich auf die natürliche Abfolge der Gezeiten. Im Gegensatz zu Windkraftwerken hat es jedoch den Vorteil, dass die Gezeiten regelmäßig, berechenbar und gleichmäßig kommen, was bei Wind nicht der Fall ist.
Das erste Meeresströmungskraftwerk steht vor der Küste Großbritanniens. Das "Seaflow" war ein deutsch-britisches Pilotprojekt zur Gewinnung von Energie durch Strömungen unter Wasser. Vom Prinzip her funktioniert es wie eine Windkraftanlage, dessen "Flügel" eben nicht durch Wind, sondern durch das vorbeiströmende Meerwasser angetrieben werden. Der Vorteil ist auch hier, dass die gewonnene Energie berechenbar ist, weil die Strömungen gleichmäßig verlaufen. Der Nachteil ist jedoch, dass der Unterwasserbetrieb hohe Anforderungen an das Material stellt und eine Installation dementsprechend teuer ist.
Auch durch Wellenkraftwerke kann Energie gewonnen werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten und Technologien, um die Wellenbewegungen des Wassers in Strom zu verwandeln. Der erste Prototyp eines solchen Kraftwerks ging Ende 2000 vor der Westküste Schottlands in Betrieb. Es liefert eine Spitzenleistung von 500 Kilowatt, ein eher geringer Wert. Eben diese relativ geringen Energie-Werte sorgen dafür, dass die Stromgewinnung aus dem Meer nur durch eine effiziente Kombination der verschiedenen Kraftwerks-Arten möglich sein kann. Hier müssen viele verschiedene Faktoren abgewogen werden, um zu entscheiden wo man wie viele und welche Kraftwerke installiert.Der neueste Raumordnungsplan der Bundesregierung ist für Deutschland ein weiters Puzzle-Teil, um mit der Gewinnung von Energie aus der Natur einen weiteren Schritt in die Zukunft zu machen.
Um den umweltgerechten Strom voranzubringen kann jeder Haushalt beim Stromanbieter Vergleich den Punkt Ökostrom auswählen und somit die Herkunft des Stroms beeinflussen.
Autorin: Anne Bartel, Platinnetz-Redaktion
Datum: 18. September 2009