Ist eine Partnerschaft anders, die sich in einer Single Community angebahnt hat, als die Beziehung zu einem Menschen, den man in einer Bar kennen gelernt hat? Dieser Frage widmen sich immer mehr Beziehungsforscher. Ihre Arbeit fördert interessante Ergebnisse zutage.
Manche Leute schämen sich, wenn sie zugeben müssen, ihren Partner in einer Single Community kennen gelernt zu haben. Aber warum? Ist eine Beziehung, die sich im Internet angebahnt hat, weniger wert als eine Liebe, die auf normalem Weg entstanden ist? Haben Internetpartnerschaften weniger Substanz, nur weil sich die Beteiligten in der virtuellen Welt verliebt haben und nicht bei einer realen Begegnung? Für Rudolf (50) ist das ein Trugschluss. Er hat seine Partnerin im Internet kennen gelernt und lebt seit zwei Jahren mit ihr zusammen. "Das ist ein Quatsch, verbreitet von Leuten, die dem Internet nicht trauen oder schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ich glaube, dass Beziehungen, die im Internet entstanden sind, sogar mehr wert sind!" Welche Argumente geben ihm Recht?
Längere Beziehung durch die Single Community?
Das Internet ist ein noch relativ junges Medium. Die Möglichkeiten, dort auf Partnersuche zu gehen und Beziehungen mit Menschen aus dem Internet einzugehen, entstehen erst langsam. Dennoch gibt es erste Studien die untersuchen, wie sich Partnerschaften entwickeln, die im Internet entstanden sind. Eine davon überrascht. Demnach sollen über Kontakt im Netz entstandene Ehen über ein Jahr länger halten als klassische Beziehungen. Rudolf überrascht diese Tatsache ganz und gar nicht. "Ich finde das logisch. Im Internet kann man sich viel besser kennenlernen, bevor man sich wirklich auf eine Beziehung einlässt. In einer Bar fallen mir Frauen auf, weil sie eine tolle Ausstrahlung haben. Wenn ich mich in einer Single Community mit einer Frau unterhalte, dann lerne ich gleich ihren Charakter kennen. Und gerade so entsteht doch Liebe!" Entstehen im Internet also festere Beziehungen, weil man sich auf rein inhaltlicher Ebene begegnet? Die Expertenmeinungen gehen hierbei auseinander. Der Medienwissenschaftler Jo Grobel findet es nachvollziehbar, dass Online-Beziehungen anscheinend länger halten und hat auch Erklärungsansätze parat. Zunächst herrsche in einer Single Community ganz im Gegensatz zur realen Welt kein sozialer Druck. Man wird beim Flirten im Internet von keinem beobachtet, man sitzt dem potentiellen Partner nicht gegenüber, man kann antworten wann man möchte. Außerdem geht man im Internet nicht nur aus Freundlichkeit auf einen Flirt ein. Gerade die Hemmschwelle "reales Treffen" überschreitet man nur dann, wenn man es auch ernst meint.
Klare Verhältnisse
Auch die Voraussetzungen, unter denen Partnerschaften im Internet entstehen, sind ein Argument für die Beständigkeit dieser Beziehungen. So sind in einer Single Community viele Menschen unterwegs, die auch wirklich nach einer Beziehung suchen. Die Bedingungen, unter denen man sich kennenlernt, sind also klar. Wer in einer Single Community auf Partnersuche geht, der meint es ernst. Das kann sehr wohl ein Grund sein, warum Beziehungen, die so entstehen, besser funktionieren. Vielleicht weil es in einer Partnerbörse hauptsächlich darum geht, das Gegenüber kennen zu lernen, um herauszufinden, ob man zusammen passt. Und schließlich bestätigt der Wissenschaftler Grobel auch den Eindruck von Rudolf. Gefühle auszudrücken und eine emotionale Bindung aufzubauen, das ist im Internet sehr wohl möglich. Schließlich sind E-Mails oder private Nachrichten eine moderne Form des Liebesbriefes. Und auch Nachrichten in einem Chat oder eine digitale Rose von einem Flirtpartner kann das Herz höher schlagen lassen – ganz so wie eine echte Blume. Verlieben kann man sich also über das Internet genauso, wie bei einer realen Beziehung. Es sind nur andere Mittel und Wege, über die das geschieht.
Die Single Community als Kuppler
Doch erklärt das alles, warum Online-Beziehungen möglicherweise besser funktionieren als klassisch entstandene Partnerschaften? Die Anthropologin Helen Fisher sagt nein. Für sie wachsen Beziehungen in der Realität, das Internet ist lediglich eine weitere Möglichkeit, sich kennen zu lernen, aufeinander aufmerksam zu werden. Sie räumt aber ein, dass das Internet eine gute Alternative ist, um Kontakte zu knüpfen und potentielle Partner kennen zu lernen. Gerade für Menschen, die eine lange Beziehung hinter sich haben, kann ihrer Meinung nach das Internet eine gute Plattform sein, um Mitmenschen einfacher kennen zu lernen. Aber für die Beziehungsforscherin reicht das als Argument nicht aus, um Internetpartnerschaften einen höheren Stellenwert zu geben als normalen Beziehungen. Nach der Kennenlernphase im Netz muss sich die Beziehung in der realen Welt bewähren, ansonsten kann daraus nichts werden. Fisher steht damit auf der Seite der Experten, die das Internet lediglich als moderne Kuppelbörse sehen – und mehr nicht. Vermutlich ist es trotz aller Expertenmeinungen eine Frage der Perspektive, ob man einer Single Community zutraut, einen auf die große Liebe aufmerksam zu machen oder nicht.
Autorin: Julia Heilig, Platinnetz-Redaktion