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Kinder und Eltern: Prägende Erziehung oder starke Gene?


Wodurch ist jemand geworden, wer er ist? Ist es die Erziehung oder sind es die Gene der Eltern, die die Charaktereigenschaften eines Menschen bilden? Wodurch wird das Verhalten, der Intellekt oder die Einstellung mehr beeinflusst? Was hat einen selbst am meisten geprägt und was gibt man seinen eigenen Kindern weiter?

In den sechziger Jahren waren sich die Wissenschaftler zum größten Teil einig: Die Umwelt beeinflusst Kinder maßgeblich. Auch wenn angenommen wurde, dass ein großer Teil der Beeinflussung der Nachkommen von Eltern, Freunden und anderen Mitmenschen unbewusst stattfindet, wurde darin die Grundlage für die Prägung eines Kindes gesehen. Der Klassiker der Fachbücher dieser Zeit hieß „Eltern, Kind und Neurose“ und erklärte, dass Depressionen und Zwangskrankheiten der Kinder in den Kommunikationsmustern der jeweiligen Familie begründet sind. Die moderne Wissenschaft geht jedoch davon aus, dass Kinder nicht in solch starkem Maße beeinflussbar sind. Experten wissen inzwischen, dass Kinder im Normalfall selbst sehr viel Einfluss darauf haben, von was sie sich prägen lassen und von was nicht.

Kinder und ihre Gene

Die schätzungsweise 30 000 Gene eines Menschen stehen unter elterlichem Einfluss. Wenn ein Kind gezeugt wird und die Zellen der Eltern miteinander verschmelzen, ist Art und Weise der Gen-Mischung purer Zufall. So kann etwa das Erbmaterial der Mutter vollkommen unterdrückt werden und das des Vaters dominieren oder auch genau anders herum. Genau so gut können sich die vererbten Gene gegenseitig abschwächen oder verstärken. So können auch Gene vorkommen, die mehrere Generationen zuvor bereits einmal in der Familie vorhanden waren. Auch vollkommen neue Eigenschaften, die in keiner der beiden Familien jemals vorgekommen sind, können sich bei den Kindern einschleichen. Gene können durchaus Dinge wie das Temperament der Kinder beeinflussen oder eine entscheidende Rolle für die Intelligenz oder die Reaktion auf Umwelteinflüsse spielen.

Aus diesem Grund kann es also tatsächlich stimmen, wenn Eltern das Gefühl haben, das Kind habe diese oder jene Eigenschaft vom Onkel oder der Oma übernommen. Allerdings ist eine solche Ähnlichkeit nicht unbedingt prägend, wie der Londoner Zwillingsforscher Robert Plomin weiß. Denn „verglichen mit der Unmenge von Unterschieden, fallen sie kaum ins Gewicht.“ Das heißt also, dass auch Kinder des gleichen Elternpaares eine höchst individuelle Genmischung in sich tragen und deshalb genetisch gesehen alle Voraussetzungen haben, um sich in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln.

In wie weit prägt Erziehung die Kinder

Wenn die Gene also den Weg der Entwicklung nicht zwingend beeinflussen, wodurch entwickeln sich dann bestimmte Verhaltensweisen? Glaubte man früher, dass die Eltern ihre Kinder in bestimmte Verhaltensmuster zwängen, sind Experten heute nicht mehr dieser Meinung. Abweichend von Freud nimmt man heute nicht mehr an, dass die Persönlichkeit der Kinder innerhalb der ersten drei Lebensjahre in Stein gemeißelt wird. Die Vorbildfunktion von Mutter und Vater wird mittlerweile nicht mehr als der am stärksten prägende Faktor erkannt. Vielmehr ist es so, dass (abgesehen von schweren Traumatisierungen) sich die Persönlichkeit der Kinder während der gesamten Kindheit und Jugendzeit über formt und immer wieder verändert. Erst im Erwachsenenalter kann man von einer festen Persönlichkeitsstruktur sprechen, doch selbst in diesem Alter sind noch Veränderungen des Charakters möglich.

Das einfache Erziehungsmodell à la „die autoritäre Erziehung seiner Mutter hat ihn aggressiv gemacht“ ist heute längst überholt. Der Berliner Persönlichkeitsforscher Jens Asendorpf sieht die Entstehung bestimmter Persönlichkeitsmuster in einem Zusammenspiel zwischen den Verhaltensmustern von Eltern und Kindern begründet. Erzieht demnach eine autoritäre Mutter ein „schwieriges“ Kind, „mögen sich beide in einem spiralförmigen Aufschaukelungsprozess immer mehr zu einem autoritär-aggressiven Paar entwickeln“. Anders herum würde ein „schwieriges“ Kind mit einer toleranten Mutter sich eher nicht aggressiv entwickeln. Dem entsprechend würde eine autoritäre Mutter ein „einfaches“ Kind nicht unbedingt aggressiv machen. Es sind also die jeweiligen Wechselwirkungen, die die Entwicklung der Kinder maßgeblich beeinflussen.

Eine wichtige Rolle bei der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder spielt zudem die individuelle Art und Weise, seine Umwelt wahrzunehmen. Denn „auch eine objektiv gleiche Umwelt wird von verschiedenen Kindern unterschiedlich verarbeitet“, sagt Jens Asendorpf. So kommt es maßgeblich nicht auf die Ereignisse im Leben der Kinder an, sondern darauf wie sie diese verarbeiten. Während eine schlimme Begebenheit das eine Kind lange und schwer belastet, kann sie ein anderes Kind stärker machen. Ein weiterer Faktor, der eine große Rolle bei der Entwicklung spielt, ist die Tatsache, dass Kinder sich ihre Umwelt zu großen Teilen selbst aussuchen. Sie bestimmen alleine für sich, wovon sie sich prägen lassen und wovon nicht. Während das eine Mädchen sich von der Leidenschaft ihrer großen Schwester zu Barbie-Puppen anstecken lässt, spielt die andere immer nur mit den Pferden der Barbie und entwickelt später eine ausgesprochen große Faszination für den Pferdesport.

Eltern können ihre Kinder also nicht formen wie Knete. Um ihre Stärken zu unterstützen und ihnen über ihre Schwächen hinweg zu helfen, ist der beste Weg der, ihre Umwelt möglichst gut an sie anzupassen und ihnen so viele Möglichkeiten in jeglicher Hinsicht zu schaffen. Je mehr sie dem Kind anbieten, desto größer ist dessen Chance, dass es sich von den Dingen beeinflussen lässt, die ihm förderlich sind.

Autorin: Anne Bartel, Platinnetz-Redaktion