„Das klappt doch nie im Leben!“, da waren sich alle einig. Martina (43) hatte noch nicht zu Ende erzählt, da stand die Meinung ihrer Freunde schon fest: Eine offene Beziehung kann nur in die Hose gehen. Was dagegen spricht? Die eigene Eifersucht, Verlustängste, Besitzansprüche – oder einfach nur die romantische Vorstellung von der einzigartigen Liebe…
Auch für Martina war der Gedanke, eine offene Beziehung zu führen, neu. Bisher waren ihre Partnerschaften eher konventionell verlaufen: Treue war Ehrensache. Kamen Seitensprünge heraus, führten sie zur Trennung, mindestens aber zur Beziehungskrise. Und jetzt sollte alles erlaubt sein? Wollte sie das überhaupt? Bei Martina löste der Vorschlag ihres Partners große Unsicherheit, Ängste und Zweifel aus. Die Gewissheit, dass sie ihrem Freund schon nach dreimonatiger Beziehung nicht mehr genügte, kränkte sie zutiefst. Und auch der Rat ihrer Freunde fiel einhellig aus: Sie solle den Typen in die Wüste schicken, der von ihr einen Freibrief zum Fremdgehen verlange. Nach einer kurzen Zeit des Haderns musste Martina ihnen zustimmen: Eine offene Beziehung kam für sie nicht in Betracht. Sie verspürte weder die Lust auf andere Männer, noch wollte sie sich vorstellen, ihren Freund mit anderen Frauen zu teilen. Dies läutete das Ende der jungen Beziehung ein.
Was sind offene Beziehungen
Anders als in konventionellen Partnerschaften sind in offenen Beziehungen sexuelle Kontakte zu anderen Menschen ausdrücklich gestattet. Dies bedeutet: Es gibt kein Fremdgehen, denn die Vereinbarung wurde in gegenseitigem Einverständnis getroffen. Statt Heimlichtuereien gibt es klare Absprachen. Voraussetzung dafür ist eine starke emotionale Bindung und eine gegenseitige Vertrautheit, die als Basis für die Beziehung unerlässlich ist. In Gesprächen sollten alle aufkeimenden Gefühle thematisiert werden können. Wie in jeder anderen Beziehung ist ein emotionales Fundament unerlässlich. Doch in offenen Beziehungen dient es gleichzeitig auch zur Gefahrenabwehr, immunisiert es doch gegen die Versuchung, eine Liebesbeziehung zu einem Sexualpartner einzugehen.
Der Mehrwert der sexuellen Freiheit
Der Wunsch nach Sex mit verschiedenen Partnern ist vermutlich weiter verbreitet als er offen ausgesprochen wird. Ihn heimlich auszuleben, nicht die Seltenheit. Ihn jedoch offen zu leben, ist eher die Ausnahme – selbst wenn nicht alle Paare in ihrer Partnerschaft die absolute sexuelle Erfüllung erleben. In offenen Beziehungen besteht die Möglichkeit, diese Bedürfnisse mit anderen Menschen zu befriedigen, ohne den Partner hintergehen zu müssen. Letztendlich kann diese Beziehungsform, wenn sie gut funktioniert, einen echten Mehrwert darstellen: Denn Menschen, die sich dafür entschieden haben, haben beides: Das Neue und Aufregende durch wechselnde Sexualpartner und Geborgenheit und das Vertraute durch den geliebten Partner.
Gefahren von offenen Beziehungen
Klingt gut. Doch wenn es wirklich so einfach wäre, dann hätte sich dieses Beziehungsmodell sicherlich schon mehr in unserer Gesellschaft etabliert. In der Praxis zeigen sich seine Nachteile. Gegen eine offene Beziehung spricht der Wunsch, den Partner ganz für sich allein haben zu wollen, der Wunsch nach Sicherheit. Eifersucht, Verlustängste, Misstrauen sind die Gefühle, mit denen Partner am stärksten zu kämpfen haben.
Und: Eine offene Beziehung funktioniert auf Dauer nur, wenn beide Partner sie wirklich wollen. Stimmt ein Part diesem Modell nur zu, um den Anderen nicht zu verlieren, führt dies über kurz oder lang zu Problemen. Denn Liebe alleine reicht nicht aus für eine solche Vereinbarung. Man muss auch loslassen können, und gleichzeitig das Vertrauen besitzen, den Anderen dadurch nicht zu verlieren.
Autorin: Kerstin Brenig, Platinnetz-Redaktion