Frisch verliebt, möchte man dem Partner nur seine Schokoladenseite zeigen. Vorm Aufstehen putzt man sich heimlich die Zähne, die Haare sitzen schon beim Frühstück perfekt. Doch nach jahrelanger Beziehung wird nicht mal mehr die Toilettentür geschlossen – Intimität im Alltag oder Lustkiller Nummer Eins?
Jeder kennt es: Hat man einen neuen Partner, ist alles frisch und aufregend. Der Alltag hat in der Beziehung noch keinen Platz und jeder ist bemüht, auf den anderen einen guten Eindruck zu machen. Man möchte für den Partner sexy, aufregend und auch ein bisschen geheimnisvoll sein. Es ist einem peinlich, wenn der Partner einen auf der Toilette überrascht, es ist einem peinlich, wenn man nachts schnarcht und ganz besonders peinlich ist es, wenn einem unversehens ein Lüftchen entweicht. Denn das alles wirkt eben gerade gar nicht sexy und soll vor dem Partner so lange wie möglich fern gehalten werden.
Doch irgendwann ist es soweit: Der Alltag hat sich langsam eingeschlichen und Dinge, die einem am Anfang peinlich waren, sind plötzlich ganz normal. Doch kann man den Partner noch genauso sexy finden, wenn er jeden morgen seinen Toilettengang erledigt, während man selbst unter der Dusche steht? Oder sollte man sich lieber ein bisschen Intimsphäre bewahren, um das Liebesleben lebendiger zu halten?
Ein schmaler Grad zwischen peinlich und intim
Es ist ganz normal, dass im Laufe der Jahre die Schamgrenze zwischen zwei Partnern sinkt. Es ist im Alltag einfach nicht immer möglich, andauernd frisch, gestylt und umwerfend auszusehen. Es ist ein Zeichen von Intimität, wenn man seinem Partner gegenüber auch mal seine faule und nicht immer schokoladige Seite herauskehren kann. Wie weit die Schamgrenze sinkt, ist dabei von Paar zu Paar unterschiedlich. Allerdings kann man die völlige Aufhebung der Intimsphäre auch als Nichtachtung auslegen, die die Partner eher voneinander trennt als sie näher zusammen zu führen. Schneidet man sich zum Beispiel im gemeinsamen Bett die Fußnägel und riecht danach an seinen Socken, um zu kontrollieren, ob sie am nächsten Tag noch tragbar sind, kann man wohl kaum erwarten, dass der Partner vor Leidenschaft sofort über einen herfällt.
In solchen Situationen ist einem nichts mehr peinlich und der Partner wird oft nicht als eigener Mensch wahrgenommen, sondern irgendwie eher als ein Teil des gemeinsamen Lebens, der natürlicherweise vorhanden ist. So hat es die Anziehungskraft jedoch sehr schwer, sich durchzusetzen. Denn Lust auf Sexualität und die Lust auf den Partner benötigt eine gewisse Abgrenzung vom eigenen ich. Anziehungskraft, Lust und Leidenschaft braucht hin und wieder eine kleine Überraschung – ein ungelüftetes Geheimnis – und Sexappeal.
Es darf auch mal peinlich sein
Wenn einem dem Partner gegenüber nichts mehr peinlich ist, bedeutet das meist den völligen Verzicht auf Privat- und Intimsphäre. Eine solche Einstellung kann den Prozess der mit den Jahren ohnehin abnehmenden sexuellen Spannung noch beschleunigen. Denn wenn die Partner sich gehen lassen, tritt prickelnde Erotik total in den Hintergrund. Es kann also nie schaden, sich wenigstens ein bisschen der anfänglichen Leidenschaft füreinander zu bewahren – und das gelingt am besten, wenn man den Alltag hin und wieder aus dem Liebesleben heraushalten kann. Das bedeutet nicht, dass einem alles, was unsexy wirkt, peinlich sein sollte. Doch ein gesundes Gleichgewicht zwischen Vertrautheit und Intimsphäre ist für eine stabile Beziehung, in der immer noch Leidenschaft herrscht, wichtig.
Autorin: Anne Bartel, Platinnetz-Redaktion